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Über die Geduld

Frühlingsanfang -  na endlich! Nach einem langen Winter wird es nun endlich Frühling! Zumindest, wenn man dem Kalender glaubt. Zur Tag- und Nachtgleiche am 20. März sind Dunkelheit und Tageslicht für einige Tage im Gleichgewicht bis dann mehr und mehr das Licht über die Dunkelheit siegt. Doch in diesen Tagen fühlt sich der Frühling eher noch wie "Nicht Fisch, nicht Fleisch" an. Heute ein paar Stunden Sonne, zweistellige Temperaturen und ein erstes Eis in der Hand - dann doch wieder ödes Grau-in-Grau und Schneeregen. Mir fällt es dieses Jahr wirklich schwer, geduldig auf den Frühling zu warten. Und nicht nur auf den Frühling. Geduld ist nicht meine Stärke. Wenn ich mal krank bin, dann soll das bitte schnell wieder weggehen. Wenn ich ein neues Hobby entdecke, dann will ich es auch gleich richtig können. Wenn ich eine neues Projekt anfange, dann soll das auch sofort erfolgreich sein. Klappt natürlich eher selten! Diese Tage rund um die Frühlings-Tag-und Nachtgleiche nötigen mich zu der Geduld, die mir nicht in die Wiege gelegt ist. Rainer Maria Rilke hat wunderbare Worte dafür gefunden:

Man muss den Dingen

Die eigene, stille, ungestörte Entwicklung lassen,

die tief von innen kommt,

und durch nichts gedrängt

oder beschleunigt werden kann;

alles ist austragen - und dann gebären...

Reifen wie der Baum,

der seine Säfte nicht drängt

und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,

ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen,

die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,

so sorglos still und weit ...

Man muss Geduld haben,

gegen das Ungelöste im Herzen,

und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,

wie verschlossene Stuben,

und wie Bücher,

die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.

Wenn man die Fragen lebt,

lebt man vielleicht allmählich,

ohne es zu merken,

eines fremden Tages

in die Antwort hinein.

Rainer Maria Rilke

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